Mit KI zur Entscheidungsfindung.
OLG Hamm, 27.02.2020 - 18 U 59/19 - Gothaer Allgemeine 1 -
0.1 Die Entscheidung ist für die Praxis bedeutsam, weil sie sich weitergehend mit dem Phänomen eines sog. Maklereinbruchs beschäftigt.
0.2 Hatte der 18. ZS die Folgen eines so genannten Maklereinbruchs (vgl. dazu im Einzelnen Panzer, Provisions-, Ausgleichs- und Schadensersatzansprüche des Versicherungsvertreters bei Maklereinbruch 2001, S. 21 ff., 110 ff., 158 ff.) bisher nur unter dem ausgleichsrechtlichen Gesichtspunkt zu klären (OLG Hamm, 07.12.1992 - 18 U 195/91 - Württembergische 1 -; - 18 U 203/91 -) ging es diesmal darum, die Auswirkungen auf den Anspruch des VV auf Provision zu untersuchen und zu klären, ob ggf. Sekundäransprüche auf Schadensersatz bestehen, deren Vorbereitung die vom VV erhobene Stufenklage diente und die der 35. ZS im Nachgang zu den genannten Entscheidungen zu dem früheren Streitkomplex verneint hatte (OLG Hamm, 24.10.1997 - 35 U 78/96 - Württembergische 2 -).
0.3 Erstmals hatte ein Gericht über eine formularvertragliche Klausel zu befinden, die auch für den Fall eines Maklereinbruchs Regelungen enthielt.
0.3.1 Die Ausführungen des Senats zur Wirksamkeit der Klausel (LS 6) begegnen durchgreifenden Bedenken, weil die Klausel in das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung eingreift, indem sie dem VU als Verwender einen einseitigen Änderungsvorbehalt einräumt (Anm. 6.3) und weil sie auch nicht den Anforderungen an das Transparenzgebot genügt (Anm. 6.5).
0.3.2 Soweit der Senat die Klausel geltungserhaltend auslegt (LS 33), sind die Ausführungen für die Praxis insoweit von Bedeutung, als ihnen durchaus Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, unter welchen Umständen es mit der Treuepflicht zu vereinbaren sein kann, einen ungekündigten Versicherungsvertrag einem einbrechenden VM courtagepflichtig in die Betreuung zu übertragen.
0.3.3 Erstaunlich sind die Ausführungen allerdings insoweit, als der Senat einen möglichen Bestandsverlust nach Ablauf der erst nachfolgenden Versicherungsperiode für die Bejahung einer Gefahr des Bestandsverlustes ausreichen lässt (LS 38). Dabei hat der Senat nicht ins Kalkül gezogen, dass ein VU durch Übertragung des Versicherungsvertrages in die Betreuung des VM keine höhere Bestandssicherheit erwarten kann als bei einem Belassen des Vertrages in der Betreuung des VV. Denn einem VM obliegt die Pflicht, den Markt laufend zu beobachten und dem VN zu empfehlen, das Risiko auszuschreiben, sobald er erkennt, dass das Risiko des VN zu günstigeren Konditionen platziert werden kann (vgl. Anm. 3.1 zu OLG Karlsruhe, 18.12.2008). Daran ändert nichts, dass im Streitfall die Vorschriften der §§ 59 Abs. 1 Satz 1, 1a Abs. 1 Satz 2 VVG 2018 noch nicht anwendbar waren, die sich eng an die in Art. 17 Abs. 1 u. 2 RiLi 2016/97/EU niedergelegten Vorgaben anlehnen (Prölss/Martin/Dörner, VVG, 31.A., § 59 Rz. 8a), die daher bei gebotener richtlinienkonformer Auslegung des Auftrags an die Mitgliedstaaten, die Regelung sicher zu stellen, als zwingend anzusehen sind (Rüffer/Halbach/Schimikowski/Brömmelmeyer, VVG, 4.A., § 1 a Rz. 19, § 18 Rz. 2) den VM erst jetzt ausdrücklich verpflichten, stets ehrlich, redlich und professionell in bestmöglichem Interesse des VN zu handeln. Denn Marktbeobachtungs- und Interessenwahrungspflichten trafen den VM schon nach altem Recht. Die Übertragung einer Versicherung in die Betreuung durch einen VM war auch nach alter Rechtslage von vornherein kaum geeignet, zu gewährleisten, dass sich damit die Bestandsverweildauer über den Zeitraum erhöht, für den der VN versicherungsvertraglich gebunden ist.
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